Leuchtendesign

Zwischen Werkstatt und Familienarbeit

Inneneinrichtung Der Name Baltensweiler steht seit den 1950er-Jahren für hochwertiges Schweizer Leuchtendesign. Vor allem auch dank Rosmarie Baltensweiler, der unermüdlichen Designerin, die stets im Hintergrund stand.

von Silvia Schaub

Journalistin

Man erkennt sie auf den ersten Blick, die Leuchten von Baltensweiler. Sie sind elegant, filigran, zurückhaltend und doch funktional und technisch ausgefeilt. Es ist nichts zu viel und nichts zu wenig. «Wir haben immer auf die Vereinfachung hingearbeitet und sie bis ins letzte Detail ausgereizt», sagte Rosmarie Baltensweiler denn auch einst in einem Interview.

Seit über 70 Jahren besteht das Luzerner Unternehmen bereits und hat sich als Wegbereiter für hochwertige Leuchten etabliert. Erfolgreiche Geschichten beginnen oft so, wie diejenige von Rico und Rosmarie Baltensweiler. Eine 1951 eigentlich für den Eigengebrauch gedachte Stehleuchte, die spätere «Type 600», war die Initialzündung für die Gründung einer eigenen Firma. Die Leuchte fand im Freundeskreis einen so grossen Anklang, dass die Baltensweilers eine erste Kleinkollektion davon herstellten. Spätestens als Grossmeister Le Corbusier sie für die Einrichtung seiner Musterwohnungen übernahm, wurden sie zum internationalen Erfolg. Dass damals eine Lampe drehbar, in der Neigung verstellbar, mit drehbarem, schwenkbarem Reflektor ausgestattet war, glich schon fast einer kleinen Revolution. Die Leuchte, die etwas an einen Flamingo auf einem Bein erinnert, aber auch an die damals modischen Damenhüte, widerspiegelte zwar den Zeitgeist der 1950er-Jahre, bestach aber gleichzeitig durch ihren zeitlosen Stil.

Die Anfänge

In ihrem Wohnatelier (anfangs in Luzern, später in Ebikon) begannen die Jung-Eltern, Tisch- und Arbeitsleuchten zu entwerfen – abgeleitet von der «Type 600». Oft bis spät in die Nacht hinein. Er, der gelernte Elektrotechniker und -ingenieur, arbeitete anfangs noch bei der SBB und war für die technische Umsetzung verantwortlich. Sie, die Absolventin der Kunstgewerbeschule Zürich, diplomierte Innenarchitektin und einstige Mitarbeiterin bei Max Bill, war verantwortlich für das Design. So konnten sie beide ihr Gefühl für Raum und Form und die Faszination für die Technologie perfekt vereinen. Dennoch waren die Rollen klar verteilt. Er stand auf der Bühne und war sozusagen der Aussenminister, sie im Hintergrund, aber das Zentrum der Familie und der Motor der Firma.

Man könnte sagen: typisch für diese Zeit. Und so ist es nicht erstaunlich, dass Rosmarie Baltensweiler (1927-2020) für die Fachwelt hinter dem Rücken ihres Mannes Rico verschwand. Selbst als er anno 1985 den Kunstpreis der Stadt Luzern erhielt, wurde sie nicht einmal namentlich erwähnt. Ein Buch, initiiert von ihren Nachkommen, rückt nun die unermüdliche Gestalterin und engagierte Geschäftsfrau, aber auch fürsorgliche Familienfrau in den Mittelpunkt. Es war der Familie offensichtlich ein Bedürfnis, die Geschichte von Rosmarie zu erzählen. Mit gutem Grund: Sie war in vielerlei Hinsicht eine Pionierin – schon lange bevor ihr Mann Rico 1987 überraschend an einem Hirnschlag starb und sie die Firma mit ihren Kindern weiterführte.

«Unter zeitgenössischen Aspekten war es eine Wahnsinnsleistung, wie sie ihr Leben lebte», sagt auch Kristina Božić-Gašo. Die Architektin und Leiterin Retail bei der Wohnbedarf AG in Zürich verhehlt nicht, dass sie ein Riesen-Fan von Rosmarie Baltensweiler ist. Das Einrichtungshaus hat die Baltensweiler-Leuchten seit Anbeginn im Sortiment. Sowohl als Unternehmerin wie auch als Privatmensch habe sie höchste Achtung vor ihrem Schaffen. Rosmarie Baltensweiler war nicht nur Designerin, Produzentin und Unternehmerin. Neben ihrer Arbeit als Geschäftsfrau war sie Mutter von vier Kindern. Privates und Arbeit waren für sie immer eng miteinander verflochten. Sie habe ganz selbstverständlich die Verbindungen in allem gesehen, heisst es im Buch. «Gestaltung begann für sie in der Auseinandersetzung mit der Welt, im Beobachten und Zuhören, im Denken und Improvisieren.» So war es für Rosmarie Baltensweiler wichtig, dass der Arbeitsplatz möglichst im Hause war. Die Wege mussten kurz sein. Obwohl sie als sehr fürsorgliche Mutter galt und viel Zeit mit den Kindern verbrachte, war sie in Gedanken wohl oft bei der Entwicklung einer neuen Leuchte. Im Archiv findet man zahlreiche handschriftlich verfasste Tagebuchblätter, die einerseits die Entwicklung der erstgeborenen Tochter Monika dokumentierten, aber auch als Notizpapier für neue Projekte herhalten mussten. Sie skizzierte überall, schreiben ihre Kinder im Vorwort des Buches: auf jeden Papierstreifen, an den unbedruckten Rand einer Tageszeitung, auf einer Serviette während eines Gesprächs am Esstisch. So beleuchtet das Buch nicht nur die professionelle Laufbahn von Rosmarie Baltensweiler, sondern auch das unkonventionelle Leben einer kreativen Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diverse Autorinnen und Autoren beschreiben darin die unterschiedlichen Facetten dieser Frau in einem biografischen Teil. Ergänzt werden sie durch grosszügige Bildstrecken aus dem umfangreichen Familien- und Firmenarchiv. Daneben wird ihre Arbeit auch wissenschaftlich aufgearbeitet und gibt einen Überblick über die Entwicklung des Leuchtendesigns der Firma Baltensweiler. Der dritte Teil ist ganz den Leuchten gewidmet und dient als eine Art Nachschlagewerk.

Die Leuchten

In diesem Kontext sind über die Jahrzehnte geradezu ikonische Leuchten entstanden, die stets auch auf den neuesten technischen Entwicklungen und Materialien basierten. In den 1970er-Jahren war dies etwa PVC, und die beiden entwarfen die Guggerli-Leuchtenserie. In kurzer Zeit verkauften sie grosse Stückzahlen. Doch als die Ölkrise kam und Plastik zu teuer wurde, stellten sie diese Serie wieder ein. Alle anderen Leuchten-Familien gibt es immer noch, teilweise wurden sie später mit den neuesten Technologien umgerüstet. «Das ist ein weiterer Pluspunkt des Unternehmens», erklärt Kristina Božić-Gašo. Wer einmal eine Baltensweiler-Leuchte gekauft habe, könne sie jederzeit reparieren oder umrüsten lassen. Nur ist das selten nötig, weil die Produkte robust und langlebig sind. «Sie sind so etwas wie ein Schweizer Fels, der immer da ist», meint sie schmunzelnd.

Neben der «Type 600» setzte auch die Leuchte «Halo 250» wichtige Massstäbe. Sie war die erste Schweizer Leuchte mit einem Hochvolt-Halogenstab und eroberte sich einen Platz als Longseller. Auch die Leuchte «Aladin» kam gut auf dem Markt an; sie war das erste Produkt, das Rosmarie nach dem Tod von Rico zusammen mit Tochter Karin und Sohn Gabriel entwickelte. Ihrer Zeit voraus waren die Baltensweiler auch mit dem neuen Leuchtmittel LED. Während anfangs das Licht noch örtlich verstellbar war, ist bei den heutigen Leuchten die Lichtqualität modulierbar. Das heisst: Man kann die Lichtintensität und -charakteristik stufenlos oder graduell verändern.

Mit der Familie der «Fez»-Leuchten, die an eine marokkanische Kopfbedeckung erinnert, gelang dem Unternehmen ein weiterer grosser Wurf. Innovativ sind die Anordnung der zwei LEDs – eine auf der Innenseite, die andere auf der Rückseite des Reflektors – und deren Stromversorgung mit dem Kippschalter am Leuchtenkopf.

Die Leuchte «Irio» versinnbildlicht für Kristina Božić-Gašo alles, was die Marke Baltensweiler verkörpert: das Bewegliche, Multifunktionale, die Bauteil- wie auch die Lichtqualität und vor allem die saubere Architektur. «Mit dieser Leuchte kann man verschiedene Szenenbilder kreieren», schwärmt sie. In ihrer Schlichtheit und Eleganz schafft die Leuchte mit drei frei richtbaren Köpfen und den separat geschalteten Lichtquellen viel Atmosphäre in einem Raum.

Was Rosmarie Baltensweiler übrigens beim Entwurf einer Leuchte stets ebenso wichtig war: Sie musste auch gut aussehen, wenn sie nicht leuchtet. Eine späte Wiedergutmachung für die verpasste Chance des Luzerner Kunstpreises, der 1985 nur an Rico ging, bekam Rosmarie Baltensweiler 2019 – ein Jahr vor ihrem Tod – mit dem Grand Prix Design vom Bundesamt für Kultur für ihr Lebenswerk.