Politisches

SRG-Ombudsstelle heisst HEV-Beschwerde gut

Immobilienmarkt Der HEV Schweiz beanstandete die unausgewogene Berichterstattung und Verletzung des Sachgerechtigkeits-gebots der Sendung «Tagesschau» unter dem Titel «Schweizer bezahlen seit 2006 78 Milliarden Franken zu viel Miete».

Das Schweizer Fernsehen SRF hatte in der Hauptausgabe seiner Sendung «Tagesschau» vom 16. März 2022 einen Beitrag unter dem Titel «Schweizer bezahlen seit 2006 78 Milliarden Franken zu viel Miete» ausgestrahlt. Der Beitrag beschäftigte sich mit dem schweizerischen Mietrecht und dem Wohnungsmarkt. Als Referenz für die angeblich schwierige Situation wurde auf die BASS-Studie «Entwicklung und Renditen auf dem Miet-wohnungsmarkt 2006 – 2021» vom 8. Februar 2022 im Auftrag des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schweiz verwiesen. In der Studie wurde die Hypothese aufgestellt, dass Mieter in der Schweiz seit 2006 78 Milliarden Franken zu viel an die Vermieter gezahlt hätten. Im «Tagesschau»-Beitrag zu Wort kam mit Nationalrätin Mattea Meyer ausschliesslich eine Vertreterin der SP Schweiz.

«Tagesschau»-Bericht verletzt das Sachgerechtigkeitsgebot

Nach Art. 4 Abs. 2 RTVG müssen redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt – was die «Tagesschau» unbestrittenermassen ist – Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein. Der HEV Schweiz sah sich veranlasst, den Beitrag zu beanstanden, da dieser seiner Beurteilung nach unausgewogen sowie unter Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 24. März 2006 (RTVG) und auch unter Verletzung der Wahrheitspflicht erfolgte. In seinem Beanstandungsschreiben vom 1. April 2022 machte der Verband geltend, dass die Berichterstattung weder ausgewogen noch sachgerecht, sondern einseitig und nahezu reisserisch gewesen sei. Dies obwohl der HEV Schweiz dem verantwortlichen Redaktor in zwei vorgängigen E-Mails zum einen die umfangreiche Medienmitteilung des Verbandes zur Studie zukommen liess, und zum anderen zu einer Reihe von Fragen des Redaktors sehr ausführlich und begründet Stellung genommen hatte. In diesen Stellungnahmen kam jeweils unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Verband nicht nur die Zahlen kritisiert, sondern die gesamte Studie beziehungsweise deren Inhalt und die Schlussfolgerungen an sich infrage stellt. Vor allem aber bestreitet der HEV Schweiz klar und deutlich die behauptete Umverteilung, d.h. die Vereinnahmung von Mietzinsen in angeblich unzulässiger Höhe durch die Vermieter.

Unausgewogene Berichterstattung

Zudem wurde die BASS-Studie im «Tagesschau»-Beitrag mit keinem Wort sachkritisch beleuchtet. Es wurde lediglich kommuniziert, dass es sich um eine vom Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz in Auftrag gegebene Studie handelt. Die Studie wurde in der Sendung unter anderem zitiert mit den Aussagen «Jedes Jahr seien es Milliarden, die entgegen dem Mietgesetz zu den Vermietern umverteilt würden.» sowie «Das, weil viele Vermieter den Mietzins rein nach Marktpreis ausrichteten, obwohl dies nach Gesetz nicht erlaubt ist.» Die Studie sowie die Aussagen von Nationalrätin Mattea Meyer – «Die Mieterinnen und Mieter zahlen Milliarden an leistungsfreien Gewinnen an Immobilieneigentümer.» – suggerierten klar, dass sich Vermieter nicht an das Mietrecht halten würden und dass aufgrund von gesetzeswidrigen Mietzinsen eine Umverteilung stattfände. Mit keinem Wort wurde erwähnt, dass die Studie lediglich die sogenannte Kostenmiete behandelt, und nicht die rechtlich korrekte Miete. Die Tatsache, dass das Mietrecht selbst ausdrücklich auch «orts- und quartierübliche Mietzinsen» als zulässig bezeichnet und dem Vermieter bei der Kostenmiete eine Rendite zuerkennt, wurde totgeschwiegen.

Stellungnahme der Ombudsstelle

Die schriftliche Stellungnahme derOmbudsstelle SRG.D mit Datum vom 13. Mai 2022 beinhaltet auf rund fünf A4-Seiten die Stellungnahme der Redaktion und sodann auf einer A4-Seite die Beurteilung und den nachstehend wiedergegebenen Entscheid der Ombudsstelle (*Auszug aus dem Schreiben vom 13. Mai 2022, siehe unten).

HEV Schweiz

*Auszug aus dem Schreiben vom 13. Mai 2022:

Die Ombudsstelle hält abschliessend fest:

Die Redaktion beruft sich in ihrer Stellungnahme zur Begründung, warum die Sachgerechtigkeit nicht verletzt worden ist, auf den «Tagesschau»-Beitrag vom 27. Februar 2022, in dem die Studie vorgestellt worden ist. Im Beitrag kamen der HEV und der Mieterverband ausgewogen mit ihren Argumenten zu Wort. In der Anmoderation wird das Ergebnis der Studie in Frageform formuliert. Im nun beanstandeten Bericht vom 16. März, also knapp drei Wochen nach der Vorstellung des Berichts, wird der Beitrag in der schriftlichen Ankündigung mit «Schweizer bezahlen seit 2006 78 Milliarden Franken zu viel Miete» (ohne Fragezeichen) betitelt und im schriftlichen Vorspann heisst es: «Die SP verlangt nun einen Runden Tisch».

Die Zuschauenden erwarten also nicht nur einen Bericht über den Inhalt der Studie, sondern möchten eingehender über die Notwendigkeit dieses Runden Tisches informiert werden. Ausführlich kommt Nationalrätin Mattea Meyer zu Wort. Kurz danach wird im Beitrag gesagt, dass Bundesrat Parmelin schon vor einem Jahr nach einem Runden Tisch verlangt habe. Gemäss Communiqué des Bundesamts für Wohnungswesen vom 21. Juni 2021 fand dieser Runde Tisch zum Thema Mietrecht denn auch statt und es wurde «unter anderem diskutiert, ob im Schweizer Mietrecht Handlungsbedarf besteht». Die Auswertung der Resultate habe ergeben, dass manche der aufgeworfenen Fragen zusätzliche Abklärungen verdienten. Deshalb folge nun eine Konsultationsphase mit den involvierten Akteuren und anschliessend würde Bundespräsident Parmelin über das weitere Vorgehen entscheiden.

Der HEV geht in seiner Beanstandung auf den Runden Tisch von Bundesrat Parmelin nicht ein und folgert wie die Zuschauenden auch, dass der neue Runde Tisch durch die SP wegen der vom Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz in Auftrag gegebenen Studie gefordert werde.

Gerade weil die «Tagesschau» betont, dass es im beanstandeten Beitrag nicht mehr in erster Linie um den Inhalt der Studie gehe, sondern um die politischen Konsequenzen, welche die SP aus der BASS-Studie zieht, wäre für die Meinungsbildung unerlässlich gewesen, nicht nur auf den schon bestehenden Runden Tisch hinzuweisen, sondern zu berichten, was diesbezüglich Stand der Dinge ist, welches die Punkte gewesen sind, die in erster Linie einer genaueren Betrachtung unterzogen werden müssen und weshalb Mattea Meyer nicht die Fortsetzung dieses Runden Tisches, sondern die Schaffung eines neuen fordert.

Aber auch wenn der bestehende Runde Tisch (oder, wenn er nicht mehr zusammenkommt, die Gründe des Nichtmehrbestehens) nicht weiter erörtert wird und für die zu begutachtende Beanstandung unberücksichtigt bleibt: Wenn explizit gefordert wird, dass die Sozialpartner sich zusammensetzen sollen, dann ist es gerade aus politischer Perspektive unabdingbar, dass der wichtigste Sozialpartner neben dem Mieterinnen- und Mieterverband, nämlich der Hauseigentümerverband, ausführlicher zu Wort kommt als nur mit der indirekten Aussage, der HEV bestreite die Zahlen. Zum Beispiel mit einer Stellungnahme, wie die wichtigsten Sozialpartner die «Umverteilung» beurteilen, die im ersten Teil des beanstandeten Berichts von der Off-Stimme besonders betont wurde.

Die Ombudsstelle heisst die Beanstandung wegen Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetztes (RTVG) gut.