Reisereportage

Von den Nabatäern bis in die Moderne

Naher Osten Jordanien, gut doppelt so gross wie die Schweiz, ist Heimat von Weltwundern wie dem Toten Meer und Petra. Eine entscheidende Rolle in der Wiederentdeckung der antiken Felsenstadt spielte ein Schweizer.

von Reto E. Wild

Journalist BR und Tourismusexperte

Wer in diesen Tagen Jordanien bereist, kehrt begeistert zurück. Das Haschemitische Königreich, das schon Reisende in der Antike in seinen Bann zog, lockt mit einer attraktiven Mischung aus Moderne und Tradition selbst die Generation der Instagrammer.

Damals wie heute ist die antike Felsenstadt Petra die bekannteste Touristenattraktion im arabischen Land. Seit 1985 gehört Petra zum Unesco-Weltkulturerbe und seit 2007 zu den sieben Weltwundern. Durch das trockene und beständige Wüstenklima sind die Bauwerke in diesem scheinbaren Niemandsland mitten in der Wüste in einem Zustand, der einen zuweilen glauben lässt, die Erbauer hätten die Stadt erst vor Kurzem verlassen. Nur: Sie ist das Vermächtnis der Nabatäer, einem Verbund nordwestarabischer Nomadenstämme, die sich vor mehr als 2000 Jahren im Süden Jordaniens niederliessen. Petra wurde damals für seine raffinierte Kultur, seine Architektur und sein ausgeklügeltes System von Dämmen und Wasserkanälen bewundert. Karawanen, beladen mit Weihrauch, Seide, Gewürzen und anderen exotischen Waren, machten dort Halt.

Schweizer in Petra

Zwei schwere Erdbeben in den Jahren 363 und 551 besiegelten das Ende der Felsenstadt, die zu ihrer Blüte um 300 vor Christus über 30 000 Einwohner zählte, aber ab dem 6. Jahrhundert mehr und mehr in Vergessenheit geriet. Es war der Schweizer Orientreisende Johann Ludwig Burckhardt, der Petra am 22. August 1812 wiederentdeckte, als er – verkleidet wie ein muslimischer Pilger und nach einem Tipp von Beduinen – durch die Schlucht des Siq (arabisch für Schacht) marschierte. Die Schlucht windet sich über einen Kilometer lang, ist an manchen Stellen nur drei Meter breit und von einem gewaltigen Sandsteinmassiv umgeben, das je nach Sonneneinstrahlung ziegelstein- oder rosarot schimmert.

Besucher gehen heute, über 200 Jahre nach der Wiederentdeckung, denselben Weg durch das einstige Bachbett des Wadi Musa, den die Nabatäer umleiteten, um sich vor Springfluten zu schützen. Die ausgestorbene Stadt wirkte schon auf den Schweizer Abenteurer Burckhardt lebendiger als mancher der reich bevölkerten Orte seiner alpenländischen Heimat. In der Tiefe der Stadt erhebt sich die fast 50 Meter hohe, fein ziselierte Felsenfassade eines Tempels, gehauen in eine Steilwand. Das Bauwerk scheint wie geschaffen für das kontrastreiche Spiel von Licht und Schatten in den Säulen, Statuen, Reliefs, Spalten, Eingängen und Fenstern.

Ein zweiter Schweizer hat sich mit Ausgrabungen in Petra grosse Verdienste erworben: Den Berner Archäologen und Restaurator Ulrich Bellwald (73) haben die Jordanier 1991 geholt. Er hat unter anderem Wasserkanäle freigeschaufelt und die Felsenstadt von vier Meter hohen Geröllhalden gesäubert. «Das Wasserversorgungssystem der Stadt umfasst fünf Quellwasserleitungen, die eine Gesamtlänge von 29 Kilometern ausmachen», weiss Bellwald. Erst ein Prozent von Petra sei ausgegraben. Wer gerne die Welt entdeckt, sollte den magischen Ort mindestens einmal im Leben besucht haben – am einfachsten auf einer Gruppenreise, denn die arabische Monarchie als Individualtourist zu besuchen, ist aufgrund der Sprachbarrieren und des limitierten ÖV-Netzes ein abenteuerliches Unterfangen.

Das «Tal des Mondes»

Rund zwei Autostunden südlich von Petra befindet sich das Wadi Rum, der grösste ausgetrocknete Flusslauf Jordaniens, rund 100 Kilometer lang und 60 Kilometer breit. Die Felswände bestehen aus rotem Sandstein und Granit. Das auch als das «Tal des Mondes» bekannte Gebiet, das in mehreren Hollywood-Filmen als Mars dargestellt wurde, erinnert an ein arabisches Märchen und wirkt mit seiner Stille und Weite aus Sand und Sonne gerade für gestresste Grossstadtmenschen entschleunigend. Bald nach Sonnenuntergang zieht ein unvergleichlicher Sternenhimmel auf. Die Nabatäer lebten einst auch im Wadi Rum und hinterliessen Hunderte von Felszeichnungen. Besonders beeindruckend ist die leicht zugängliche Khazali-Schlucht im Zentrum des Wadi-Rum-Schutzgebiets mit ihren prähistorischen Inschriften und Darstellungen von Menschen, Tieren und Fusssohlen.

Das Tote Meer und Amman

Nördlich des Wadi Rum befindet sich das Tote Meer, das sich Jordanien mit Israel und dem Westjordanland teilt. Der vom Jordan gespeiste See mit einem Salzgehalt von 27,5 Prozent gehört offiziell zwar nicht zu den sieben Weltwundern, hätte es aber aus mehreren Gründen verdient: Er befindet sich gut 400 Meter unter dem Meeresspiegel und markiert deshalb den niedrigsten Punkt der Erdoberfläche. Der Vorteil: Ein Grossteil der schädlichen UV-Strahlung erreicht diese Niederungen nicht. Die Konzentration von Brom ist 800-mal höher als anderswo; Brom wirkt beruhigend und überträgt dies auch auf die Haut. Die positiven Effekte von Salz aus dem Toten Meer soll bereits die ägyptische Königin Kleopatra bei ihren Schönheitsbädern geschätzt haben. Die enorme Salzdichte des Wassers gibt Schwimmern den bekannten Auftrieb. So ist entspanntes Lesen im Wasser – umgeben von einer faszinierenden Wüstenlandschaft – tatsächlich möglich.

Das moderne Gesicht Jordaniens mit seinen rund 10 Millionen Einwohnern zeigt sich in der Hauptstadt Amman. Im politischen und kulturellen Zentrum und dessen Umgebung leben rund 40 Prozent der jordanischen Bevölkerung: das Stimmengewirr in den Gassen, das Feilschen der Händler auf dem Marktplatz und der Ruf des Muezzins vom Minarett – dieser Klangteppich fasziniert die meisten Besucher. Amman, beeinflusst von den alten Griechen und Römern sowie frühislamischer Kultur, zeigt sich weltoffener als die anderen Landesteile und zählt zu den sichersten Städten der arabischen Welt. Die Zitadelle thront auf dem Jebel el Qala’a, einem der sieben Hügel, auf denen Amman einst erbaut wurde. Über viele Jahrhunderte war sie militärischer und religiöser Ort. Hier finden sich Tempel und Befestigungen der Umayyaden, Byzantiner, Römer und Assyrer sowie der Babylonier und Perser. Und so taucht man letztlich auch in der modernen Hauptstadt – so wie im ganzen Land – in eine Geschichte ein, über die wir in Zentraleuropa noch immer viel zu wenig wissen.

Die Felsenstadt Petra – auch «die Rote» genannt – ist seit 1985 Unesco-Weltkulturerbe.

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