Gebäudetechnik

Trinkwassertemperatur – was gilt?

Dem Trinkwasser kommt als Lebensmittel eine grosse Bedeutung zu. Entsprechend ist auch die Zahl an Normen und Regelwerken in diesem Bereich angestiegen.

von Thomas Amman

dipl. Arch. FH

Was wir aktuell täglich zu den Covid-19-Ansteckungen präsentiert bekommen – nämlich die neuesten Fallzahlen –, gibt es bei den Legionellen bereits seit 1988. Zwar nicht täglich, aber doch wöchentlich werden die aktuellen Fallzahlen vom Bundesamt für Gesundheit publiziert. In den vergangenen Jahren sind die Fallzahlen kontinuierlich angestiegen. Während die jährlichen Ansteckungen zu Beginn der Nuller-Jahre bei etwa 170 Fällen lagen, sind sie im letzten Jahr auf 581 Fälle angestiegen. Dabei zeigt sich jeweils auf die Sommermonate hin ein jährlich wiederkehrendes Muster ansteigender Fallzahlen. Ebenfalls augenfällig ist der Umstand, dass die Fallzahlen im eher warmen Tessin verhältnismässig hoch liegen.

Die Ansteckungen erfolgen durch die Inhalation eines Aerosols in legionellenhaltigem Wasser, d.h. durch das Einatmen einer Mischung aus Luft und legionellenhaltigen Wasserpartikeln. Eigentliche Superspreader, wie wir sie von der aktuellen Pandemie kennen, gibt es auch hier. Allerdings sind dies keine einzelnen Personen, sondern zum Beispiel eine Autowaschanlage oder der Nassrückkühler einer Klimaanlage. 

Oftmals sind die Ursachen einer Ansteckung nicht eindeutig lokalisierbar, weshalb weiter darüber geforscht wird, wie sich Personen infizieren. Gefahr droht dort, wo Wasser zwischen 25 und 45° C längere Zeit stagniert und dann mittels Sprühnebel verteilt wird. Entsprechend schnell sind die Duschen ins Visier der Gesundheitschemiker geraten. Im Sinne des Vorsorgeprinzips wurden in den letzten Jahren zahlreiche Diskussionen zum Ausbau der Vorschriften im Trink- und Duschwasserbereich geführt. Dabei sind die unterschiedlichen Interessen von Gesundheitsschutz und Energieeffizienz aufeinandergeprallt.

Neue Vorschriften

Mit der Verabschiedung der Revision des Lebensmittelgesetzes im Jahr 2014 wurde Trinkwasser als Lebensmittel und Gebrauchsgegenstand in dieses Gesetz aufgenommen. Dies ermöglicht fortan den Erlass von Bestimmungen über Bade- und Duschwasser durch den Bund. 2018 publizierten das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Empfehlung zur Legionellen-Prävention. 

Etwas länger dauerte die Überarbeitung der SIA-Norm 385 / 1 – «Anlagen für Trinkwarmwasser in Gebäuden – Grundlagen und Anforderungen». Rund vier Jahre und zwei Vernehmlassungsverfahren später wurde diese Norm auf den 1. November 2020 hin in Kraft gesetzt. Parallel dazu hat der Schweizerische Verband des Gas- und Wasserfachs (SVGW) die Ergänzung W3/E3 zur Richtlinie W3 – «Trinkwasserinstallationen » herausgegeben. Eine Flut von Papieren, die grundsätzlich kein Problem darstellte, würden sich die Unterlagen in den Details nicht widersprechen. Entsprechend stellt sich für die Fachwelt, aber auch für die Bauherrschaft die Frage, was gilt denn nun wirklich?

Verbindlich für alle sind Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und Kantonsebene. Die Baugesetze werden meist kantonal und zum Teil auch kommunal erlassen. Diese Gesetze beziehen sich wiederum teilweise auf technische Normen und Richtlinien. Normen werden von staatlich anerkannten privaten Normenorganisationen erlassen. Die Erarbeitung erfolgt unter Einbezug verschiedener Fachleute und Verbände. Es besteht die Möglichkeit, sich mittels Vernehmlassung oder Einsprache in den Normenerarbeitungsprozess einzubringen. Eine Norm ist dann verpflichtend, wenn sie durch die Parteien vereinbart oder durch ein übergeordnetes Gesetz als verbindlich erklärt wird.

An Verbandsrichtlinien werden weitaus weniger hohe Anforderungen bei der Erarbeitung gestellt. Entsprechend haftet diesen auch nicht dieselbe Verbindlichkeit an wie den Normen. Was im Umkehrschluss nicht heissen muss, dass sich Gerichte im Schadenfall nicht auch auf eine Richtlinie beziehen können.

Anforderungen Legionellenprävention

Mit der Empfehlung des BAG / BLV und der neuen SIA-Norm werden aus hygienischer Sicht bisherige Anforderungen vertieft und neue aufgenommen. Nach wie vor ist bei der Planung auf ein kompaktes Wasserverteilsystem zu achten. Dank kurzer Leitungen kühlen diese weniger aus, und es stehen geringere Wassermengen über längere Zeiträume still. Ganz nebenbei sind solche kompakten Verteilsysteme auch günstiger in der Erstellung.

Bei der Konzeption der Wasseranschlüsse ist zudem darauf zu achten, dass nur dort Armaturen vorgesehen werden, wo regelmässig Wasser bezogen wird. Anschlüsse, die für den normalen Gebrauch weniger als einmal alle 72 Stunden bedient werden, sollten gar nicht erstellt werden.

Bei der Anordnung der Leitungsschächte ist darauf zu achten, dass warme und kalte Leitungen getrennt geführt werden. Dies, um zu verhindern, dass sich die Warmwasserleitungen abkühlen und sich die Kaltwasserleitungen über 25° C erwärmen können. 

Während in den früheren Normen die sogenannte Legionellenschaltung mittels einer periodischen Aufheizung des Warmwassers auf 60° C während einer Stunde die Legionellenprävention sicherstellen sollte, genügt dies heute nicht mehr. Das Warmwasser muss neu konstant eine gewisse Mindesttemperatur aufweisen. Bezüglich der geforderten Temperaturen widersprechen sich jedoch die verschiedenen Regelwerke und Empfehlungen. 

Einigkeit besteht darin, dass die Temperatur an der Entnahmestelle nach einer definierten Ausstosszeit 50° C betragen muss. Um dies sicherstellen zu können, gibt die Empfehlung des Bundes für die Verteilleitungen eine Temperatur von 55° C und für den Speicher eine Temperatur von 60° C vor. Die SIA-Norm berücksichtigt die verschiedenen Verteilsysteme, die Möglichkeit der Warmhaltung und des optimalen Betriebes. So kann die Temperatur am Speicheraustritt auf 55° C und bei einem Durchflusswärmetauscher auf 52° C gesenkt werden.

Was auf den ersten Blick wie eine kleine Differenz aussieht, kann über 24 Stunden und während eines ganzen Jahres zu erheblichen Energieeinsparungen führen. Dies insbesondere deshalb, weil der Energieanteil für die Wassererwärmung in heutigen Neubauten über 50 Prozent der benötigten Wärmeenergie ausmacht. Auch sind Heizsysteme mit erneuerbarer Energie effizienter, wenn sie bei tieferen Temperaturen betrieben werden können.

Was gilt nun?

Neubauten sind grundsätzlich nach den neuesten Normen und Erkenntnissen zu erstellen. Aufgrund der Hierarchie der Erlasse ist anzunehmen, dass die SIA-Norm nach den Empfehlungen des BAG / BLV und der Richtlinie W3 / E3 vorgeht. Mit dem Einhalten der Vorgaben aus der SIA-Norm 385 / 1 wird sichergestellt, dass die aktuellsten Erkenntnisse aus der Legionellenprävention umgesetzt werden, ohne dass dabei die Energieeffizienz ganz ausgeblendet wird. Für bestehende Gebäude gilt nach wie vor der Stand der Norm bei der Erstellung. Erst bei einer Erneuerung der Trinkwasserinstallationen müssen die Vorgaben der neuesten Norm umgesetzt werden.

Für Vermieter von Wohnungen, die gemäss dem Lebensmittelgesetz zu Trinkwasserversorgern werden, kann es jedoch sinnvoll sein, die neuen Mindesttemperaturen bereits heute einzustellen. Dies ist meist nicht mit zusätzlichen Installationen verbunden und kann relativ einfach umgesetzt werden.

Trinkwasserinstallationen: Normen und Empfehlungen

  • SIA-Norm 385 / 1:2020, Anlagen für Trinkwarmwasser in Gebäuden – Grundlagen und Anforderungen
  • SIA-Norm 385 / 2:2015, Anlagen für Trinkwarmwasser in Gebäuden – Warmwasserbedarf, Gesamtanforderungen und Auslegung
  • Legionellen und Legionellose, BAG-/BLV-Empfehlungen, Module 1 bis 21, August 2018
  • W3 Richtlinie für Trinkwasserinstallationen, SVGW 2013
  • W3/E3 Richtlinie für Hygiene in Trinkwasserinstallationen, SVGW 2020