Umbaureportage

Monolith mit Geschichte

Umbauen Das 66-jährige Einfamilienhaus widerspiegelt konsequent den Geist des Neuen Bauens und besticht nach seiner Sanierung auch heute noch durch seine Raumqualität.

von Gerald Brandstätter

Conzept-B

Die Gemeinde Rüti ist ein beschaulicher Ort, umgeben von ausgedehnten Wäldern. Neben der Klosterkirche aus dem 13. bis 17. Jahrhundert zeugen auch verschiedene Fabrikantenvillen aus dem 19. Jahrhundert von der prosperierenden Vergangenheit als früher Industriestandort. Oberhalb von Rüti am Waldrand steht ein Gebäude, das den Geist der Moderne und des «Befreiten Wohnens» widerspiegelt. Adrian Willi hat das markante Gebäude 1957 als junger Architekt errichtet. Der Bau mit Flachdach und Dachterrasse betont elementare Formen und authentische Materialien. In der Anwendung moderner architektonischer Prinzipien – Dachgarten, sichtbare Pfeiler im Erdgeschoss, freier Grundriss und offene Hauptfassade – lässt sich im «Trümmlen-Haus» deutlich der Einfluss Le Corbusiers und anderer Architekten des Neuen Bauens ablesen. In diesem aussergewöhnlichen Gebäude wohnt Anja Schulthess, Innenarchitektin VSI.ASAI (Vereinigung Schweizer Innenarchitekten) mit ihrer Familie.

«Neues Bauen» erleben

Kraftvoll und markant steht das kompakt wirkende Gebäude auf einer Parzelle mit 11 200 m2 Fläche an einem bewaldeten Hang. Über einem Untergeschoss erheben sich drei Stockwerke, wobei sich im Erdgeschoss sowie auf dem Dachgeschoss über mehr als die Hälfte des Grundrisses Terrassen ausbreiten. Licht, Luft und Sonne – das Programm der Architektur des Neuen Bauens ist bei diesem Einfamilienhaus allgegenwärtig. Aus der Situation heraus ergab sich eine turmartige Konzeption, bei der alle Räume gegen Süden orientiert sind und über einen freien Blick ins Tal verfügen.

Im Erdgeschoss liegen die Eingangshalle, die Küche und ein kleiner Essbereich; mittels grosser Fensterfronten gehen die Räume auf die Aussenterrasse und in den Garten über. Um einen Raumblock mit Toilette herum führt die Treppe nach oben zum 1. Obergeschoss. Hier breitet sich der Wohnbereich auf über 70 m2 aus; der doppelgeschossige Wohnraum bildet das Herz des Hauses. Mit der grossen Verglasung gegen Süden wähnt man sich mitten in der Natur. Wenige, jedoch ausgesuchte und stimmig platzierte Möbel unterstützen die Qualität der Räume.

Das zentral angeordnete Cheminée, als fester Kern des Gebäudes, zieht sich sichtbar vom Wohngeschoss zur Galerie hoch bis zum Schlafbereich im Dachgeschoss. Um den Kern herum führt die Treppe nach oben, wo auf der Galerie von der Innenarchitektin Anja Schulthess neu ein Kinderzimmer eingebaut wurde. Die Raumgliederung im Galeriegeschoss ist in Anlehnung an bestehende Unterteilungen mit doppelseitig nutzbaren Einbauten konzipiert worden. Diese zonieren die Galerie neu in ein Kinderzimmer, eine Ankleide sowie einen Arbeitsbereich mit Bibliothek. Eine raumhohe, grosse Schiebetüre ermöglicht dabei ein offenes Raumgefüge. Alle innenräumlichen Eingriffe wurden behutsam vorgenommen, mit dem Ziel, die Originalsubstanz zu erhalten. «Der fliessende und offene Grundriss über mehrere Geschosse schafft unterschiedliche Raumqualitäten, welche viele Bezüge zur umliegenden Natur haben», erklärt die Innenarchitektin.

Von der Galerie aus führt die Treppe weiter nach oben zum Dachgeschoss, wo sich das Elternschlafzimmer sowie ein Badbereich befinden. Neu eingebaute Kleiderschränke und Ablagen komplettieren den Innenausbau für die dreiköpfige Familie. Vom Schlafzimmer aus hat man Zugang zur Dachterrasse.

Ungeahnte Wohnqualität

Das Gebäude ist als massiver Eisenbetonbau konstruiert worden. Wenige, jedoch gekonnt platzierte Maueröffnungen und Einschnitte gliedern den rohen Beton-kubus. «Speziell gut gefallen mir die Positionierungen der Fenster in den Ecken der Räume, welche ein schönes Streiflicht auf die Wände zaubern», schwärmt Anja Schulthess. Innen besticht der hohe, offene Wohnraum mit seiner winkelförmigen Galerie und einem aussergewöhnlichen Raumerlebnis. Anja Schulthess hat das schützenswerte Gebäude sensibel saniert und subtil eingerichtet. Neben Klassikern finden sich auf den 192 m2 Wohnfläche auch zeitgemässe Entwürfe, ausgesuchte Kunst und stilvolle Accessoires.

Sämtliche Wände und Decken sind weiss gestrichen und kontrastieren mit den originalen Bodenplatten aus naturfarbenem Terracotta. Die neuen Einbauten aus Holz, die Treppenstufen und Handläufe aus gebeizter Eiche stehen farblich dem Tonplattenbelag nahe.

Aus Altersgründen war eine umfassende Sanierungen der Heizung, des Bads und der Treppen nötig. Aus energetischer Sicht hatte sich auch die Sanierung der Fenster aufgedrängt. Hier wurden die Eichenrahmen aufwändig saniert und mit neuen Isoliergläsern bestückt: jedes Fenster ist eine Massanfertigung mit den schönen alten Originalbeschlägen.

Dank der behutsamen Sanierung durch Anja Schulthess und der Belebung durch ihre Familie bleibt das Gebäude als Zeitzeuge und architektonisches Vorbild erhalten.

Aus der Situation heraus ergab sich eine turmartige Konzeption, bei der alle Räume gegen Süden orientiert sind und über einen freien Blick ins Tal verfügen.

Anja Schulthess

Anja Schulthess ist diplomierte Innenarchitektin HFG und Aktivmitglied der Vereinigung Schweizer Innenarchitekten VSI.ASAI. Ihr Portfolio reicht von Museumsbauten über Büro-, Gastronomie- und Hotelprojekte und beinhaltet unzählige innenarchitektonische Aufgaben von Wohnbauten und schützenswerten Objekten. Mit FORROOM Interiors führt Anja Schulthess erfolgreich ihr eigenes Büro für Innenarchitektur und Umbauten. Bei ihren Projekten strebt sie nach Langlebigkeit und einer nachhaltigen Zeitlosigkeit, welche im Einklang mit der Architektur und den Benutzenden steht. forroom.ch