Treibhausgas-Reduktion

Die Luft von CO2 befreien

Umwelt Um Netto-Null zu erreichen, muss CO2 aus der Atmosphäre abgeschieden und gespeichert werden. Dafür eignen sich sowohl natürliche als auch technische Massnahmen.

von Remo Bürgi

Faktor Journalisten, im Auftrag des BFE

Bis 2050 will die Schweiz Netto-Null erreichen. Das bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, als von dort entnommen werden. Damit das gelingt, müssen wir in erster Linie die Emissionen stark reduzieren – auch diejenigen von Gebäuden. Der Einsatz erneuerbarer Energie trägt dazu bei, ebenso die Verwendung klimafreundlicher Materialien. Beton und Stahl zum Beispiel sollten künftig nur noch verwendet werden, wenn es keine passende Alternative gibt, denn ihre Herstellung verursacht hohe Emissionen.

Trotz der technischen Weiterentwicklung werden sich in den nächsten Jahrzehnten nicht alle Treibhausgasemissionen vermeiden lassen. Um dennoch Netto-Null zu erreichen, muss bereits ausgestossenes CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen und gespeichert werden können. So ergibt sich eine ausgeglichene Treibhausgas-Bilanz, was der weiteren Klimaerwärmung entgegenwirkt.

Im Holz gespeichert

Es gibt unterschiedliche Ansätze zur CO2-Entnahme. Ein Verfahren funktioniert permanent und auf der ganzen Welt: Pflanzen nehmen während ihres Wachstums CO2 auf und speichern es. Besonders grosse Speicher sind Bäume respektive Wälder. In der Schweiz sind es jährlich rund 2,5 Millionen Tonnen CO2, die sie aus der Luft aufnehmen und speichern. Das ist viel, aber angesichts der Emissionen bei Weitem nicht genug: Der hiesige Ausstoss beträgt selbst ohne den internationalen Luftverkehr jährlich rund 45 Millionen Tonnen. Um Holz als Speicher möglichst effektiv zu nutzen, sollte es nicht verbrannt, sondern als Baumaterial verwendet werden. So kann es nicht nur emissionsintensive Baumaterialien wie Beton ersetzen, sondern auch das gespeicherte CO2 über einen längeren Zeitraum binden.

Humus und Pflanzenkohle

Neben Holz gibt es weitere natürliche Speicher. Im Humus zum Beispiel wird ebenfalls Kohlenstoff gebunden, was zudem einen positiven Effekt auf die Ernteerträge in der Landwirtschaft hat. Durch eine Optimierung der landwirtschaftlichen Bodennutzung könnte noch mehr Kohlenstoff gespeichert werden – gemäss einer Publikation des Bundesamts für Umwelt (BAFU) liegt das Potenzial bei bis zu 2,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Eine weitere Möglichkeit zur biologischen Abscheidung ist das Verkohlen von pflanzlicher Biomasse unter grosser Hitze. Dabei entsteht eine sehr stabile Pflanzenkohle, die man im Boden einlagern kann. Theoretisch liessen sich so hierzulande jährlich 2,2 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Allerdings sind die Auswirkungen dieser Methode auf die Umwelt noch unklar, es braucht daher weitere Forschung.

Technik als Lösung?

Neben solchen natürlichen Methoden kommen auch einige technische Massnahmen infrage. So lässt sich das CO2 beispielsweise in der Industrie bereits am Kamin abscheiden und anschliessend speichern – gemäss BAFU bis zu 5,1 Millionen Tonnen jedes Jahr. Eine andere Möglichkeit ist, das CO2 durch Kollektoren aus der Luft herauszufiltern, wie es zum Beispiel das Schweizer Unternehmen «Climeworks» erfolgreich durchführt. Das Konzept benötigt heute aber noch viel Energie sowie viel Platz, und es ist recht teuer. Zudem ist die langfristige Speicherung von abgeschiedenem CO2 noch ungelöst, denn dafür braucht es geeignete geologische Bedingungen im Untergrund. In der Schweiz sind bisher keine solchen Standorte bekannt, so dass abgeschiedenes CO2 zu Speichern im Ausland transportiert werden muss. Idealerweise werden die Kollektoren dort aufgestellt, wo es Speichermöglichkeiten gibt. Climeworks zum Beispiel hat bereits eine Anlage in Island in Betrieb genommen, wo das CO2 direkt im Untergrund gespeichert werden kann.

Eine weitere technische Methode basiert auf dem natürlichen Effekt, dass verwitterndes Gestein CO2 bindet. Dies lässt sich nutzen, indem bei der Herstellung von Beton statt Kies ein Granulat aus Abbruchbeton verwendet wird, das man zuvor gezielt mit CO2 angereichert hat. Diese sogenannte Rekarbonisierung, die weder für den Menschen noch für die Umwelt ein Risiko darstellt, könnte jedes Jahr 2,5 Millionen Tonnen CO2 langfristig aus der Atmosphäre ziehen. Auch in diesem Bereich gibt es ein Schweizer Unternehmen, das eine innovative Lösung entwickelt hat. Die Firma «neustark» mit Sitz in Bern integriert CO2 während des üblichen Recycling-Prozesses in Abbruchbeton und speichert es so permanent.

Nur für «Notfälle»

Theoretisch könnten diese verschiedenen Negativemissionstechnologien (NET) hierzulande jedes Jahr mehr als 10 Millionen Tonnen CO2 abscheiden. In der Realität bestehen technische, wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Hürden, so dass das Potenzial zumindest kurz- und mittelfristig kaum ausgeschöpft werden kann. Der Vergleich mit den jährlichen Emissionen von rund 45 Millionen Tonnen zeigt zudem, dass selbst im Optimalfall nur ein Bruchteil des ausgestossenen CO2 wieder aus der Luft entnommen werden kann. In erster Linie müssen wir daher die Emissionen reduzieren – die NET dürfen keine Ausrede sein, eine mögliche Dekarbonisierung zu verschleppen. Sie können nur die unvermeidbaren Emissionen kompensieren, die beispielsweise in der Landwirtschaft oder der Industrie entstehen.

Das richtige Material

Wie kann man als Eigentümerin oder Eigentümer eines Gebäudes zur CO2-Speicherung beitragen? Den grössten Hebel bietet wohl die Materialwahl. Wer mit Holz baut, reduziert nicht nur die Emissionen, sondern macht das Gebäude auch zum CO2-Speicher. Beton, Stahl und weitere Materialien mit hohem Treibhausgasausstoss in der Herstellung sollten nur dann eingesetzt werden, wenn es nicht anders möglich ist. In diesem Fall sind recycelte Materialien oder sogar rekarbonisierter Beton eine sinnvolle Möglichkeit, die Klimaauswirkungen zu reduzieren.