Wohnen

Im Reich des Baumliebhabers

Garten Ein Familiengarten hoch über dem Zürichsee, in dem gerettete Pflanzen einen neuen Platz finden, zeigt: Ein Garten muss nicht unbedingt gross sein, um etwas zu bieten.

Alles fing mit einem alten Apfelbaum an – einem ganz besonderen Exemplar. Viele Jahre stand dieser 50 Jahre alte Baum mit seiner ausladenden Krone im Garten der Grossmutter, bis er eines Tages weichen musste. Für Simon Rüegg nicht hinnehmbar. Er rettete den Baum, liess ihn mitsamt kompaktem Wurzelballen ausgraben und im eigenen Garten an prominenter Stelle wieder einsetzen: in der Mitte der Rasenfläche. «Ich wollte und musste für diesen Baum den Platz schaffen, den er in meinen Augen verdient», so der Landschaftsarchitekt.

Ein Garten mit Geschichte

So hielt die erste Pflanze Einzug in den kleinen Familiengarten, hoch über dem Zürichsee. Um diesen alten Baum herum wurde der Garten geplant und angelegt. Weitere gerettete Pflanzen kamen hinzu, wie der Japanische Fächer-Ahorn (Acer palmatum "Bloodgood"), «Opfer» eines Neubauprojektes in Zürich. Jeder Baum hat eine Geschichte, zu ihnen pflegt Simon Rüegg eine besondere Bindung: «Diese charakteristischen Gehölze werden in Szene gesetzt und fügen sich zum grossen Ganzen. Sie verleihen dem Garten ein verspieltes Flair und lassen ein starres, geradliniges Objekt lebendig wirken.»

Mehr Platz für die Familie

Vor dem Umbau führte ein mächtiges Zyklopen-Mauerwerk, das den steilen Hang abfing, zu engen Platzverhältnissen. Um mehr nutzbare Fläche für die 6-köpfige Familie zu schaffen, ersetzte es Simon Rüegg durch eine Stützmauer aus Ortbeton. Im unteren Hangabschnitt entstand dadurch Platz für eine Garage und eine Verbindung zur Eingangstür. «So konnte die ebene Fläche fast verdoppelt und nutzbarer Raum gewonnen werden», so der Landschaftsarchitekt.

Insgesamt gibt es nun drei Gartenräume, wo früher nur Böschung war: den Wohn- und Essbereich auf dem Holzdeck, einen kleinen Rückzugsort hinter dem Haus und einen Bereich vor dem Haus, der sich zum Spielen und Toben für die vier Kinder eignet. Jeder Raum wird geschickt genutzt, sodass sogar noch ein kleiner Zierbrunnen für die akustische Untermalung Platz findet.

Einbezug des Nachbargartens

Geschwungene Pflanzbeete mit Ziergräsern (Pennisetum alopecuroides, Stipa tenuissima), Eisenkraut (Verbena bonariensis) und Herbst-Anemone (Anemone hupehensis, Anemone japonica) sind gekonnt aufeinander abgestimmt. Den Balkon kleidet ein Chinesischer Blauregen (Wisteria sinensis). Die Betonwand am Holzdeck erklimmen drei buschige Kletterhortensien (Hydrangea anomala ssp. petiolaris). Ein Glücksfall war, dass Simon Rüegg den Nachbargarten ebenfalls gestalten und die Pflanzenauswahl der beiden Nachbargärten aufeinander abstimmen konnte. Beim Nachbarn setzte er z. B. einen Eisenholzbaum (Parrotia persica) – ein ebenso prächtiges Exemplar pflanzte er auf seinem eigenen Grundstück. Jeder Garten wirkt für sich, doch durch die übergreifende Gestaltung erscheinen beide grösser als sie tatsächlich sind.

Königsdisziplin «kleiner Garten»

Grosse Sorgfalt verwendete er auf die Materialwahl – Muschelkalk bei Bodenplatten und Mauersteinen zieht sich konsequent durch den Garten. «Für mich sind kleine Gärten die Königsdisziplin, und deren Anzahl wird weiter zunehmen. Die Ansprüche an einen Garten werden immer grösser. Er soll Wohn- und Stauraum sowie ausreichend Spielfläche bieten, aber gleichzeitig auch ästhetischen Ansprüchen genügen. Entscheidend ist die Konzentration auf das Wesentliche – und das sind für mich immer noch die Pflanzen, sie liegen mir am meisten am Herzen.» Was Simon Rüegg mit seinem einladenden Familiengarten beweist: Ein Garten muss mitnichten gross sein, um etwas zu bieten. Vielmehr kann man auf kleiner Fläche viel erreichen, wenn man den Raum gliedert, auf das Material achtet und bereit ist, etwas wegzulassen. Callwey Verlag

«Die Ansprüche an einen Garten werden immer grösser. Entscheidend ist die Konzentration auf das Wesentliche – und das sind für mich immer noch die Pflanzen.»

Gärten des Jahres 2022

Einen einzigartigen Überblick über die schönsten Privatgärten im deutschsprachigen Raum bietet die Dokumentation zum Wettbewerb «Gärten des Jahres 2022». Landschafts-architekten, Gartengestalter sowie Garten- und Landschafts-bauer werden jährlich aufgerufen, besonders gelungene realisierte Privatgärten einzureichen, die von einer renommierten Jury ausgewählt und prämiert werden. Das Buch zeigt eine beeindruckende Vielfalt unterschiedlichster Privatgärten anhand von über 350 Farbabbildungen und Gartenplänen. Detaillierte Angaben zu Besonderheiten des Grundstücks, des Konzepts, der verwendeten Materialien und der Auswahl der Pflanzen runden die 50 Gartenporträts ab. Die Dokumentation ist für Gartenplaner und Gartenbesitzer gleichermassen geeignet, um sich inspirieren zu lassen.

 

Autoren: Dieter Kosslick und Konstanze Neubauer Gärten des Jahres – die 50 besten Privat-gärten 2022, 2022. 320 Seiten, über 350 farbige Abbildungen und Pläne, 23 x 30 cm, gebunden. Fr. 80.–, ISBN 978-3-7667-2555-4.

Das Buch ist in jeder Schweizer Buchhandlung oder im Onlineshop von Callwey erhältlich: callwey.de/shop

Über das Projekt

Lage des Gartens

Wernetshausen, ZH

Grösse des Gartens

240 m2

Planungsbüro

Simon Rüegg

Landschaftsarchitektur AG

simonruegg.ch

Ausführung

Überwiegend Eigenleistung